Kaum zu glauben…

11. Sitzung des UA „Modellbau“
Was wäre der Modellbau ohne den Modellbauer St. gewesen? Nichts. „Das war eine Einheit“, so der Zeuge Prof. Dr. Athen in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses. Dies bestätigt die grüne Sicht, dass der Patient St. Anfang 2000 aus rein organisatorischen Gründen in die Maßregelvollzugsanstalt Straubing verlegt wurde. Aufgrund des hohen Sicherheitsstandards ist das BKH Straubing mit Abstand die teuerste Maßregelvollzugseinrichtung in Bayern. Nach dem damals geltenden Vollstreckungsplan  Bayern durften nur besonders sicherungsbedürftige Patienten dorthin eingewiesen werden, bei denen eine Entweichung wegen kombinierter Flucht- und Gemeingefährlichkeit wahrscheinlich ist, sowie Personen mit hoher Fremdaggressivität oder solche, die bereits aus einer Anstalt entwichen waren oder es versucht hatten. Aus Sicht des ehemaligen Ansbacher ärztlichen Leiters traf keiner dieser Gründe auf St. zu, zumal er sich in all den Jahren. nichts dergleichen zu Schulden hatte kommen lassen. Auch als Athen St. im Jahr 2004 in Straubing begutachtete, sah er keinen Grund für die Unterbringung in der Hochsicherheitsforensik. Er verzichtete aber auf einen entsprechenden Hinweis, da St. während der Begutachtung über seine Leidenschaft für den Modellbau sprach und die Empfehlung einer Verlegung das Ende des Modellbaus für St. bedeutet hätte. Athen wollte nicht die Verantwortung übernehmen, dass der Modellbauer St. seiner  Leidenschaft nicht mehr nachgehen konnte. Diese vermeintliche Fürsorge führte dazu, dass  St. auch weiterhin in Straubing bleiben musste, selbst als er schon lange nicht mehr wollte. Dieser ganze Vorgang ist an Absurdität kaum zu übertreffen! Uns stellt sich natürlich die Frage, wer die Verlegung der Modellbautherapie und des Patienten St. eingefädelt hat und welche Motive dahinterstanden.

Untragbare Situation in Ansbach
Prof. Dr. Athen kam 1985 als ärztlicher Direktor nach Ansbach. Er bestätigte die von St. vor dem Untersuchungsausschuss geschilderten unhaltbaren Zustände in vollem Umfang. Es gab keine Zimmer für die Patientinnen und Patienten der Forensik im berühmt-berüchtigten Haus 9, nur zwei große Schlafsäle ohne jede Privatsphäre. Tütenkleben konnte den Untergebrachten als einzige Beschäftigung angeboten werden. Dies führte zu Aggressionen, da einige Insassen schlicht unterfordert waren. Deshalb war Prof. Athen auch sehr froh, als ihm Dr. Haderthauer von der geplanten Modellbautherapie erzählte. Laut seiner Schilderungen vor dem Untersuchungsausschuss, trug diese auch maßgeblich zu einer Stabilisierung der Situation in Haus 9 bei. Bei der vertraglichen Gestaltung der Arbeitstherapie war Athen, nach eigener Aussage, dagegen nicht involviert. Dr. Haderthauer, der sich als offizieller Vertreter des BKH Ansbach ausgab, schloss mit der Firma Ponton  den Vertrag zum Betreiben einer Werktherapie, den auch der damalige Leiter des Funktionsdienstes unterzeichnete, der – Im Gegensatz zu Hubert Haderthauer – die Berechtigung dazu besaß ein derartiges Geschäft abzuwickeln.
In besagtem Vertrag wird unter anderem der Arbeitslohn für die im Modellbau beschäftigten Patientinnen und Patienten festgelegt. Ferner wird die Möglichkeit eingeräumt Gratifikationen wie Weihnachtsgeld auszubezahlen, was mit dem Therapiegedanken absolut unvereinbar ist, da das Therapieentgelt der Maßregelvollzugseinrichtungen nicht mit Arbeitslohn vergleichbar ist. Sonderprämien gibt es daher erst recht nicht. Aus Prof. Athens Sicht hat Dr. Haderthauer hier eindeutig seine Kompetenzen als Stationsarzt überschritten. Der Zeuge gibt damit ähnliche Erinnerungen wieder, wie die Zeugen Ponton, St. und Sager. Diese hatten ausgesagt, dass Hubert Haderthauer sich ihnen gegenüber mehrmals dahingehend äußerte, dass in der Ansbacher Forensik ohne ihn „nichts laufe“.
Doch obwohl Athen damals Hubert Haderthauers Vorgesetzter war, will er von diesen Vorgängen nichts mitbekommen haben.

Wer steckt hinter der SAPOR Modelltechnik GbR?
Auch über die geschäftlichen Hintergründe der Firma SAPOR Modelltechnik GbR will Athen nichts gewusst haben. Er behauptet gar, dass er erst im Jahr 2014 erfahren habe, dass sein ehemaliger Mitarbeiter Hubert Haderthauer geschäftlich involviert war. Prof Athen betonte mehrmals, dass es die Modellbautherapie nicht gegeben hätte, wenn er über die monetären Verbindungen und geschäftlichen Interessen seines jungen Stationsarztes informiert gewesen wäre, da Geschäfte mit Patienten seit jeher ein Tabu waren und sind. Er zeichnet das Bild eines schwer enttäuschten Mannes, der sich hintergangen fühlt. Dennoch bleiben Fragen offen und es fällt schwer alles zu glauben, denn schließlich war die Modellbautherapie DAS Vorzeigeprojekt des BKH Ansbach, das Prof. Athen auch gerne selbst diversen Besuchergruppen präsentierte. Es ist daher anzunehmen, dass ihn auch das Schicksal der, durch Patientenhand gefertigten, Modellautos interessierte. Die Werkstücke wurden regelmäßig von Hubert Haderthauer abgeholt, auch nachdem dieser nicht mehr in Ansbach tätig war. Diesen Sachverhalt erklärte sich Athen damit, dass Haderthauer vermeintlich einer der wenigen Sozialkontakte des Patienten St. war. Sowohl in Ansbach als auch in Straubing, ging es bei den Besuchen von Hubert Haderthauer aber stets um den Modellbau. Nur aus diesem Grund hatte er bereits in Ansbach eine Sonderbesuchserlaubnis erhalten. Als die Firma SAPOR Modelltechnik GbR im Jahr 2008 an einen neuen Eigentümer verkauft wurde, endeten die Besuche bei St. auch prompt. St. gab an, Hubert Haderthauer seitdem nicht mehr wiedergesehen zu haben. Vor diesem Hintergrund kann kaum die Rede von einem guten „Sozialkontakt“ sein, womit ein erneuter Beweis erbracht wäre, dass stets die geschäftlichen Interessen im Vordergrund standen.
Anfang 2000 gab es zudem erhebliche Auseinandersetzungen rund um die Sicherheit im Modellbau, die ihren Ursprung in Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ärzteschaft und Pflegepersonal hatten. Auch auf Initiative von Professor Athen mussten sich der Bezirketag und eine unabhängige Forensikkommission ausführlich mit dem Thema befassen und beleuchtete dabei die geschäftlichen Hintergründe der Firma SAPOR Modelltechnik GbR. Obwohl Athen sich in einem Brief an den Bezirketag auf den Bericht der Forensikkommission bezieht, kann er sich heute nicht mehr daran erinnern, ihn jemals gelesen zu haben. Er bleibt bei seiner Aussage, nichts davon gewusst zu haben, dass das Ehepaar Haderthauer geschäftlich in den Modellbau involviert war.
Während der Zeugenbefragung musste Prof. Athen schlussendlich einräumen, dass es wohl auch einer gehörigen Portion Gutgläubigkeit seinerseits bedurft hatte, dass das Personal der Klinik derartige Vorgänge überhaupt hinter dem Rücken des Ärztlichen Direktors abwickeln konnte.

Zwischenbilanz des Untersuchungsausschusses
Zweck eines Untersuchungsausschusses ist es, Vorgänge die in der Vergangenheit liegen, umfassend aufzuklären und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Hier kann der Untersuchungsausschuss „Modellbau“ schon eine beachtliche Bilanz vorweisen. Die Befragung aller Maßregelvollzugsleiterinnen und -Leiter hat ergeben, dass die Modellbautherapie in den BKH Ansbach und Straubing absolut ungewöhnlich war und eine derartige Sonderstellung, wie sie der Patient St. genoss, in anderen Maßregelvollzugsanstalten undenkbar gewesen wäre. Der Großteil der Kliniken hat seine Lehren aus der „Modellbauaffäre“ gezogen. So wurden klarere Compliance- Regelungen eingeführt und Verträge mit externen Auftraggeberinnen und Auftraggebern müssen künftig schriftlich fixiert werden.
Durch den Untersuchungsausschuss wurde auch herausgearbeitet, dass der Patient St. nicht in die Straubinger Hochsicherheitsforensik verlegt werden hätte dürfen und auch im Nachhinein kein Grund ersichtlich war, ihn 15 Jahre dort zu belassen. Der Presse war zu entnehmen, dass er höchstwahrscheinlich bereits nächste Woche nach Ansbach zurückverlegt wird.
Wir konnten auch einen ersten Einblick in die Rolle Christine Haderthauers in der Firma SAPOR Modelltechnik GbR gewinnen, wobei es hierzu noch viele weitere Fragen zu beantworten gilt. Entgegen ihrer Angaben in der Öffentlichkeit, war sie sehr wohl geschäftsführend für die Firma tätig und an deren Fortkommen interessiert. Die reichlich angestrengt wirkende Darstellung der Eheleute Haderthauer, dass es sich bei der Modellbautherapie um soziales Engagement gehandelt habe, kann endgültig nicht mehr aufrechterhalten werden.

Ausblick
Nach der Sommerpause werden weitere Zeuginnen und Zeugen aus dem BKH Ansbach geladen, um die Hintergründe und vor allem den Beginn der Modellbautherapie zu beleuchten. Der Untersuchungsausschuss „Modellbau“ hat bereits einige neue Erkenntnisse ans Licht gebracht und wir freuen uns auf weitere spannende Sitzungen.

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